Real-World-Evidence: Vom vermeintlichen Extra zum absoluten Muss

Real-World-Evidence (RWE) hat innerhalb kurzer Zeit eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Neben seinem festen Platz in der Post-Market Surveillance von Arzneimitteln, wird RWE heute auch in Phasen vor der Marktzulassung eingesetzt und erfreut sich bei einer wachsenden Anzahl von Akteuren zunehmender Akzeptanz.

Sie haben unseren ersten Blog-Post über Real-World-Data (RWD) und Real-World-Evidence (RWE) verpasst? Kein Problem – hier geht’s zum Text:

Real-World-Data: Eine zu wenig genutzte Goldmine für die biomedizinische Forschung?


Um Ihnen das vielfältige Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten von RWD und RWE zu veranschaulichen, werfen wir einen genaueren Blick auf vier interessante Beispiele:

Die klassische Anwendung: Post-Market Surveillance

Klassischerweise finden RWD seit geraumer Zeit Anwendung in der Nachmarktüberwachung von Arzneimitteln. Sie liefern wichtige Erkenntnisse über den Einsatz, die Sicherheit und Wirksamkeit eines Medikaments in der Routineversorgung bei einer heterogenen Patientenpopulation. Dank der Analyse von strukturiert gesammelten RWD können seltene oder verzögert auftretende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAWs) identifizieren werden. Ein beeindruckendes Beispiel für das Potential von RWD ist das weltweit größte UAW-Spontanmeldesystem VigiBase der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die VigiBase-Datenbank enthält über 30 Millionen Meldungen von UAWs aus mehr als 150 Ländern. Hier wurde zum Beispiel das Risiko für Thrombose mit Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) in Zusammenhang mit bestimmten Covid-19-Impfstoffen erstmals gemeldet.1

Der Newcomer: Soziale Medien

Neben den etablierten Melde- und Erfassungssystemen werden die sozialen Medien immer mehr zu einer interessanten Quelle für RWD. In Gesundheitsforen, auf Twitter und anderen Plattformen tauschen Nutzer weltweit ihre Erfahrungen zu verschiedenen Gesundheitsthemen aus, diskutieren Nebenwirkungen von Medikamenten, Gründe für Behandlungswechsel, Nicht-Compliance und Lebensqualität. In einer retrospektiven Studie aus dem Jahr 2019 wurden satte 12 Millionen Posts in einem Online-Gesundheitsforum auf mögliche kutane Nebenwirkungen in Verbindung mit einem Krebsmedikament untersucht. Die Datenanalyse offenbarte eine bemerkenswerte Präzision bei der Identifikation unerwünschter Arzneimittelwirkungen - und das ganze sieben Monate, bevor sie in der wissenschaftlichen Literatur publiziert wurden. Doch das ist noch nicht alles: Durch die Analyse der Posts wurde auch eine bisher nicht dokumentierte Nebenwirkung entdeckt, die zuvor unbekannt war.2

Erweiterte Zulassung dank RWE

Die randomisierte kontrollierte Studie (RCT) gilt zwar nach wie vor als Goldstandard für die Zulassung von Arzneimitteln, wird aber oft kritisiert, da sie zu kostspielig, langwierig und nur begrenzt auf den "realen" Praxisalltag übertragbar ist. Besonders bei seltenen Erkrankungen stößt die Methode aus ethischen und pragmatischen Gründen an ihre Grenzen. Hier kommen RWD ins Spiel: Im Jahr 2019 wurde beispielsweise Palbociclib, ein CDK4/6-Inhibitor, der nur für die Behandlung von Frauen mit HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs zugelassen war, von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) auch für Männer zugelassen. Die FDA stützt ihre Entscheidung zur Zulassung auf RWD, die aus elektronischen Patientenakten und Krankenversicherungsdokumenten stammen und die Off-Label-Anwendung von Palbociclib bei Männern beschreiben.4

Studiendesign: Schneller ans Ziel

Die Nutzung von RWE im Design und bei der Optimierung klinischer Studien ist eine vielversprechende Entwicklung. Schließlich verfehlt fast die Hälfte der Studienzentren ihre Rekrutierungsziele, während etwa 80% der Studien wegen Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Patienten verzögert werden.5 Doch RWD aus elektronischen Patientenakten, Patientenregistern und Versicherungsdokumenten können dazu beitragen, Patientengruppen mit einem ungedeckten medizinischen Bedarf zu identifizieren, die höchstwahrscheinlich von einer neuen Therapie profitieren würden. Mit diesen Daten können auch die Ein- und Ausschlusskriterien der Studie präzisiert werden, um die geeignete Zielpopulation zu erreichen. Darüber hinaus können RWD auch bei der Festlegung relevanter und praxisnaher Endpunkte helfen und zur Auswahl optimaler Studienstandorte beitragen.

Einige Vorteile von RWE für verschiedene Interessensgruppen:

  • Ärzte bekommen einen Einblick in die Wirksamkeit eines Medikaments im realen Praxisalltag. Indem Ärzte Zugang zu solchen Daten haben, können sie bessere Entscheidungen über die Behandlung ihrer Patienten treffen. Die Verwendung von RWE kann auch dazu beitragen, das Verständnis der Ärzte für die Erwartungen und Bedürfnisse ihrer Patienten zu verbessern, was zu einer höheren Patientenzufriedenheit führt.
  • Patienten werden dazu ermutigt, aktiv an der klinischen Forschung teilzunehmen. Sie können wichtige Daten und Erkenntnisse aus ihrem Alltag beisteuern, die Forscher nutzen können, um die Behandlung zu optimieren.
  • Forschende haben Zugang zu einer enormen Menge an Gesundheitsdaten, die sie mit modernen Methoden der Statistik und des maschinellen Lernens auf vielfältige Art und Weise auswerten und nach neuen Erkenntnissen über den Zusammenhang zwischen Symptomen, Behandlung und Therapieerfolg durchforsten können.
  • Gesundheitsbehörden benötigen zunehmend Daten aus dem Praxisalltag, um den Nutzen von Arzneimitteln umfassender beurteilen und unerwünschte Nebenwirkungen schnell aufdecken zu können. Ausserdem kann RWE dazu beitragen, Gesundheitsprogramme und Initiativen zu verbessern und zu optimieren.

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  1. Uppsala Monitoring Centre (2022) VigiBase. https://who-umc.org/vigibase/. Letzter Zugriff: 14.05.2023.
  2. Nikfarjam A et al. Early Detection of Adverse Drug Reactions in Social Health Networks: A Natural Language Processing Pipeline for Signal Detection. JMIR Public Health Surveill. 2019 Jun 3;5(2):e11264.
  3. Dang A. Real-World Evidence: A Primer. Pharmaceut Med. 2023 Jan;37(1):25-36.
  4. Wedam S et al. FDA Approval Summary: Palbociclib for Male Patients with Metastatic Breast Cancer. Clin Cancer Res. 2020 Mar 15;26(6):1208-1212.
  5. Rimpler, M.: „Medizin und Pharmazie im Umbruch“ (01/20), S. 38-40.

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